Long-Covid und Post-Covid: Veränderungen im Gehirn untersucht

Ablagerungen können Störungen des Nervensystems verursachen

Eine Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), die vor kurzem im Fachjournal „eBioMedicine – The Lancet“ veröffentlicht wurde, legt nahe, dass sich nach einer überwundenen SARS-CoV-2-Infektion die Proteinbeschaffenheit von Nervenzellen im Gehirn verändert.

Die Wissenschaftler:innen entdeckten bei ihren Untersuchungen Anhäufungen von fehlgefalteten und strukturell veränderten Proteinen, die auch bei Alzheimer- und Parkinson-Patienten beobachtet werden. Diese Ablagerungen könnten Störungen des Nervensystems verursachen und möglicherweise die bei vielen Long-Covid-Betroffenen berichteten Konzentrations- und Gedächtnisprobleme erklären. Zudem stellte das Forscherteam zu Beginn der Infektion eine Aktivierung von Mikrogliazellen fest, die auch nach Abklingen der Symptome noch vorhanden waren. Die Wissenschaftler untersuchten dazu Gehirne syrischer Goldhamster, die mit SARS-CoV-2 infiziert worden waren.

Starke Aktivierung von Mikrogliazellen im Gehirngewebe

Während der akuten Infektionsphase konnten die Forscher zeigen, dass SARS-CoV-2 im Epithel der Nasenhöhle und im Riechkolben des Gehirns Immunzellen aktiviert. „Es ist bemerkenswert, dass die Aktivierung von Mikrogliazellen im Gehirngewebe, also der lokalen Immunabwehr, auch 14 Tage nach der Infektion noch vorhanden war“, berichtet Prof. Dr. med. vet. Franziska Richter-Assencio vom Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie. Als die Infektion bereits abgeklungen war, entdeckten die Wissenschaftler:innen fehlgefaltete Alpha-Synuclein-Proteine und strukturell veränderte Tau-Proteine, die sich in den Nervenzellen der Großhirnrinde angesammelt hatten.

Diese Proteine sind bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson von großer Bedeutung. „Die Tatsache, dass nicht alle Hirnregionen betroffen waren, ist ein wichtiger Befund, der auf eine selektive Empfindlichkeit hindeutet, wie sie für neurodegenerative Erkrankungen typisch ist“, erklärt Richter-Assencio.

Bis zu 67 Prozent der Covid-19-Patient:innen erleben während der akuten Infektion neurologische Symptome. Diese können nach der Infektion anhalten oder erst Wochen später neu auftreten. Dazu gehören neurologische, neuropsychologische und neuropsychiatrische Symptome wie kognitive Störungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Depressionen, Angstzustände, Gangstörungen und allgemeine Müdigkeit. Die Pathogenese dieser Symptome bleibt jedoch unklar und es gibt, abgesehen von Rehabilitationsmaßnahmen, derzeit keine wirksamen Behandlungen.

„Studien zu Biomarkern für neurodegenerative Erkrankungen im Plasma und bildgebende Verfahren zur Integrität des Gehirns bei Long- bzw. Post-Covid-19-Patienten zeigen Ergebnisse, die mit unseren Beobachtungen übereinstimmen. Die Vielfalt der Symptome deutet eindeutig auf die Beteiligung verschiedener Hirnregionen hin“, erklärt Richter-Assencio. „Ob und wie SARS-CoV-2 ins Gehirn gelangt, ist bisher unklar. Wir konnten das Virus in unseren Untersuchungen zwar zu keinem Zeitpunkt im Gehirn nachweisen, es gibt aber auch Studien, die geringe Mengen des Virus im Gehirn gefunden haben. Es wäre auch möglich, dass allein die Immunreaktion auf das Virus und die damit verbundenen Signalmoleküle wie Zytokine die beobachteten Veränderungen verursachen.“

Die Forscher vermuten, dass die Ansammlung von Tau- und Alpha-Synuclein-Proteinen eine Ursache für die lang anhaltenden neurologischen Symptome sein könnte. Richter-Assencio betont: „Es besteht noch viel Forschungsbedarf. Ob die Anhäufung der Proteine in den Neuronen tatsächlich fortschreitende neurodegenerative Prozesse und neurologische Symptome auslöst, müssen weitere Studien zeigen. Eines ist jedoch sicher: Wenn wir die Ursachen für die Symptome von Long- und Post-Covid verstehen, können darauf aufbauend gezielte Therapieansätze für die Betroffenen entwickelt werden. Alpha-Synuclein und Tau könnten, falls sich unsere Vermutungen bestätigen, wichtige Zielmoleküle für solche Therapieformen sein.“

Quelle:

Christopher Käufer, Cara S. Schreiber, Anna-Sophia Hartke, Ivo Denden, Stephanie Stanelle-Bertram, Sebastian Beck, Nancy Mounogou Kouassi, Georg Beythien, Kathrin Becker, Tom Schreiner, Berfin Schaumburg, Andreas Beineke, Wolfgang Baumgärtner, Gülsah Gabriel, Franziska Richter; Microgliosis and neuronal proteinopathy in brain persist beyond viral clearance in SARS-CoV-2 hamster model; eBioMedicine – The Lancet; 2022