Transkranielle Pulsstimulation (TPS) – Was sind Stoßwellen?
Von der Lithotripsie zur vielseitigen Anwendung in Orthopädie, Neurologie und darüber hinaus
Die Medizingeschichte ist reich an Durchbrüchen, die aus der Übertragung von Prinzipien aus Physik und Technik entstehen. Ein solcher Durchbruch ist die Anwendung von Stoßwellen in der Medizin, eine Technologie, die seit den frühen 1980er Jahren das Potenzial der nicht-invasiven Behandlung revolutioniert hat. Ursprünglich für die Fragmentierung von Nierensteinen entwickelt, hat sich die Stoßwellentherapie zu einem vielseitigen Werkzeug in der Behandlung verschiedenster medizinischer Disziplinen entwickelt. Die Geschichte der medizinischen Anwendung von Stoßwellen beginnt mit der Lithotripsie, einem Verfahren, das die Stoßwellentechnologie nutzt, um Nierensteine und Gallensteine ohne chirurgischen Eingriff zu eliminieren. Diese bahnbrechende Technik ermöglichte es Ärzten seit dem Jahr 1982, Patienten eine weit weniger schmerzhafte und weniger invasive Behandlungsoption anzubieten. Die Lithotripsie markierte den Beginn einer neuen Ära in der Steinbehandlung und legte den Grundstein für weitere Forschungen und Entwicklungen im Bereich der Stoßwellentherapie. Mit der Zeit erweiterte sich das Anwendungsspektrum der Stoßwellen weit über die Urologie hinaus. Die Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) und die radiale Stoßwellentherapie wurden entwickelt, um eine Vielzahl muskuloskelettaler Erkrankungen zu behandeln. Durch die Fähigkeit, Schmerzen zu lindern und die Heilung von Geweben zu fördern, hat sich die Stoßwellentherapie als wertvolles Instrument in der Orthopädie und Sportmedizin etabliert.
Stoßwellen in Neurologie, Psychiatrie und Kardiologie: Transformatives Potenzial in der Therapie
Ein besonders spannendes Feld ist die Ausweitung der Stoßwellentherapie auf die Neurologie und Psychiatrie. Hier erforschen Wissenschaftler intensiv, wie Stoßwellen zur Behandlung von Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz, anderen Formen der Demenz und Parkinson, aber auch Depressionen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus oder Chronischem Erschöpfungssyndrom (CES) eingesetzt werden können. Diese aktuell sehr dynamische Forschung verspricht, neue Türen zur Behandlung von Erkrankungen zu öffnen, die bisher schwer zu behandeln waren und unterstreicht das transformative Potenzial der Stoßwellentherapie in Bereichen jenseits ihrer ursprünglichen Anwendung. Mit der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) ist eine innovative Anwendung der Stoßwellentherapie entstanden, die speziell für die Behandlung neurologischer und neuropsychiatrischer Erkrankungen entwickelt wurde und sich seit dem Jahr 2020 international in Kliniken und Praxen verbreitet. Durch die Nutzung äußerst niedrigenergetischer, fokussierter Stoßwellen ermöglicht die TPS eine gezielte Stimulation von Hirnarealen, indem sie ohne chirurgischen Eingriff die neuronale Aktivität und Regeneration unterstützt und zur Verbesserung neuroplastischer Vorgänge beiträgt. Ein weiterer Pluspunkt ist ihre, wenn überhaupt vorkommend, marginale Nebenwirkungslast. Und ein weiterer medizinischer Fachbereich kommt hinzu: Auch in der Kardiologie zeigt sich mittlerweile das breite Spektrum der Stoßwellentherapie, wo sie genutzt wird, um die Durchblutung zu fördern und Herzgewebe zu regenerieren, und somit neue Möglichkeiten in der Behandlung von Herzerkrankungen eröffnet.
Die wissenschaftliche Basis der Stoßwellen in der Medizin
Stoßwellen sind energiereiche, akustische Impulse, die sich durch ihre Fähigkeit auszeichnen, sich in unterschiedlichen Medien – von Flüssigkeiten bis hin zu festen Körpern – mit hoher Geschwindigkeit fortzupflanzen. In der medizinischen Anwendung werden sie durch spezielle Geräte erzeugt, die Energie in Form von Schallwellen freisetzen. Diese Wellen zeichnen sich durch einen sehr steilen Anstieg des Drucks aus, gefolgt von einem abrupten Abfall, was ihnen ermöglicht, zielgerichtet tiefe Gewebeschichten zu erreichen, ohne die darüberliegenden Schichten zu beschädigen. Die Wirkungsweise von Stoßwellen in der Medizin beruht auf deren einzigartigen physikalischen Eigenschaften: Sie induzieren mechanische Spannungen und Dehnungen im Gewebe, was auf zellulärer Ebene zu verschiedenen biologischen Reaktionen führt. Dazu gehören unter anderem die Freisetzung von Wachstumsfaktoren, die Stimulierung der Angiogenese, die Verbesserung der Blutzirkulation und die Aktivierung von Stammzellen. Diese Prozesse tragen zur Heilung von Gewebeschäden bei, lindern Schmerzen und unterstützen die Wiederherstellung der Funktion.
Anpassung der Stoßwellenenergie für spezifische medizinische Anwendungen
Stoßwellen sind nicht nur in der Lage, Kräfte gezielt in Gewebebereichen nahe der Oberfläche auszuüben. Dank ihrer Hochfrequenzkomponenten im Megahertz-Bereich und den damit einhergehenden kurzen Pulslängen von nur wenigen Millimetern können sie präzise auf tiefer gelegene Körperregionen ausgerichtet werden. In diesen tieferen Bereichen ist es möglich, durch den Mechanismus der Impulsübertragung längere Stimulationspulse zu erzeugen, die im Bereich von physiologisch relevanten Millisekunden liegen und dort gezielt wirken. Die Anwendung von Stoßwellen in der Medizin variiert stark in Abhängigkeit vom Behandlungsziel und dem jeweiligen Gewebetyp. Unterschiedliche Energieflussdichten ermöglichen eine präzise und zielgerichtete Therapie, von der Auflösung von Nierensteinen bis zur Geweberegeneration. Bei der Extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) zur Behandlung von Nierensteinen werden Stoßwellen mit hoher Energie eingesetzt. Diese erzeugen einen positiven Druckpuls bis 100 MPa (bis zu 1000 bar) und dauern bis zu 2 Mikrosekunden, gefolgt von einem negativen Druckpuls bis zu -10 MPa. Mit Energien über 3 mJ/mm2 durchdringen sie Haut und Muskeln schadlos und entfalten ihre Wirkung spezifisch bei festen Objekten wie Steinen. In der Orthopädie hingegen kommen fokussierte Stoßwellentherapien (ESWT) zum Einsatz, deren Energie im mittleren Bereich bis zu 1 mJ/mm2 liegt. Ziel ist nicht die Zerstörung, sondern die Stimulation von Gewebe und Knochenstrukturen, um Heilungsprozesse durch verbesserte Durchblutung und Stoffwechsel zu fördern. Die Anwendung ist auf spezifische Zielgebiete begrenzt, wodurch umliegendes Gewebe weitgehend unbeeinflusst bleibt. Für die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) zur Behandlung neurodegenerativer und neurophysiologischer Erkrankungen werden besonders niedrigenergetische Stoßwellen bis zu 0,25 mJ/mm2 genutzt. Diese geringen Energien verursachen keine Erwärmung des Gehirngewebes, sondern haben eine aktivierende und regenerierende Wirkung. Das Aktionspotential der Stoßwellen unterstützt die Reizweiterleitung und fördert die Kommunikation zwischen Neuronen, ohne das umliegende Gewebe zu schädigen.
Mechanotransduktion: Das Kernprinzip der Stoßwellentherapie
Mechanotransduktion beschreibt den Prozess, durch den Zellen mechanische Reize aus ihrer Umgebung aufnehmen und in biochemische Signale umwandeln, die zelluläre Antworten auslösen. Dieser Vorgang ist fundamental für die Wirkungsweise der Stoßwellentherapie, da die applizierten Stoßwellen als mechanische Stimuli dienen, die tief in das Gewebe eindringen. Die daraufhin induzierten mechanischen Spannungen aktivieren Zellen und stimulieren biologische Prozesse, die für Reparatur und Regeneration von Gewebe essenziell sind. Die Mechanotransduktion führt zu einer Kaskade von zellulären Reaktionen: Sie erhöht die Expression von Wachstumsfaktoren, fördert die Angiogenese und stimuliert die Proliferation sowie Migration von Zellen. Diese Effekte tragen wesentlich zur Schmerzlinderung, zur Heilung von entzündeten oder geschädigten Geweben und zur Wiederherstellung der Funktion bei. Mechanotransduktion ermöglicht es somit, physikalische Energie in therapeutische Effekte umzusetzen, was die Stoßwellentherapie zu einem mächtigen Werkzeug in der modernen Medizin macht.
Wissenschaftlich belegte und untersuchte Effekte der Stoßwellentherapie
Die nachfolgend aufgeführten Effekte und Mechanismen der Stoßwellen sind entweder durch wissenschaftliche Forschung nachgewiesen oder stehen derzeit im Fokus aktueller wissenschaftlicher Evaluationen: