„Brain Fog“ bei Long-Covid: Universität Oxford findet mögliche Ursachen

Entzündungsmarker CRP und Blutgerinnungsfaktor I führen zu messbaren kognitiven Störungen

Gemäß epidemiologischer Studien sollen in den vergangenen drei Jahren allein in der WHO-Region Europa etwa 36 Millionen Menschen Long Covid-Symptome entwickelt zu haben, wobei kognitive Beeinträchtigungen häufig vorkommen. Derzeit wird geschätzt, dass bis zu 32 Prozent  der Betroffenen als postakute Folge der SARS-CoV-2-Infektion unter „Brain Fog“ leiden. Die zugrundeliegenden biologischen Ursachen sind jedoch bisher unbekannt. Wissenschaftler:innen der Universität Oxford haben nun zwei mögliche Ursachen gefunden, die im Fachmagazin NATURE MEDICINE veröffentlicht wurden sind.

In einer prospektiven Kohortenstudie mit 1.837 erwachsenen Patient:innen, die aufgrund von COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, konnten  die Forschenden zwei unterschiedliche Biomarkerprofile identifizieren, die während der Akutaufnahme gemessen wurden und Vorhersagen über kognitive Funktionen sechs und 12 Monate nach der COVID-19-Erkrankung ermöglicht haben.

Wohl jede/r achte Betroffene von kognitiven Defiziten betroffen

Der Erstautor Maxime Taquet und seine Kolleg:innen von der Abteilung für Psychiatrie an der Universität Oxford berichten in ihrer Studie, dass etwa bei jedem achten Patienten bzw. jeder achten Patientin, der/die an COVID-19 erkrankt ist, innerhalb von sechs Monaten nach der akuten Infektion neurologische oder psychiatrische Symptome diagnostiziert werden. Besonders besorgniserregend sind dabei kognitive Defizite, einschließlich des sogenannten „Brain Fog“. Diese treten häufig auf und können über einen längeren Zeitraum anhalten, so die Autor:innen.

Erhöhte Spiegel des Fibrinogen und des D-Dimer festgestellt

Die Wissenschaftler:innen haben zwei Hauptmarker identifiziert: Der erste Marker war ein erhöhter Spiegel des Proteins Fibrinogen, während der zweite Marker auf einen erhöhten Spiegel des Proteinfragments D-Dimer hinwies. Weitere Aspekte der Biomarkerprofile legten nahe, dass sie wahrscheinlich mit der Bildung von Blutgerinnseln in Zusammenhang stehen. Die wichtigsten Ergebnisse wurden durch die Analyse von mehr als 90 Millionen britischen elektronischen Krankenakten verifiziert.

Während der Analyse und den anschließenden Nachuntersuchungen stellten die Forschenden folgende Zusammenhänge fest: Bei Patient:innen, die während ihrer akuten COVID-19-Erkrankung erhöhte Werte des Blutgerinnungsfaktors I (Fibrinogen) im Vergleich zum Entzündungsmarker CRP (c-reaktives Protein) aufwiesen, traten in der Folge häufiger objektiv messbare kognitive Störungen auf. Fibrinogen ist ein Protein, das in der Leber produziert wird. Erhöhte Werte dieses Proteins im Blut weisen ebenfalls auf entzündliche Prozesse hin, die gleichzeitig die Blutgerinnung aktivieren können.

Fibrinogen kann direkte Schäden an Nervenzellen im Gehirn verursachen

Auch in einem Test, der subjektiv wahrgenommene kognitive Probleme erfasste, zeigten die Proband:innen mit erhöhten Fibrinogen-Werten signifikant schlechtere Ergebnisse. Dies könnte möglicherweise mit der Bildung von Mikrothromben im Gehirn in Verbindung stehen. Es ist bekannt, dass Fibrinogen auch direkte Schäden an Nervenzellen im Gehirn verursachen kann.

D-Dimer weist auf Bildung von Thromben in kleinen Blutgefäßen hin

Der zweite Marker, D-Dimer, ist ein klassischer Marker für Thrombosen. Die britischen Wissenschaftler:innen haben auch hier einen klaren Zusammenhang zwischen erhöhten D-Dimer-Werten und kognitiven Störungen entdeckt.

Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass erhöhte D-Dimer-Konzentrationen im Blut bei COVID-19 auf die Bildung von Thromben in den kleinen Blutgefäßen der Lunge hinweisen. Dies wiederum könnte zu einer langfristigen Verringerung der Sauerstoffaufnahme führen und Erschöpfungszustände auslösen.

Bedeutender Fortschritt im Verständnis der Ursachen der Long-Covid-Symptomatik

Dr. Taquet fasst zusammen: „Sowohl Fibrinogen als auch D-Dimer sind an der Blutgerinnung beteiligt, und so unterstützen die Ergebnisse die Hypothese, dass Blutgerinnsel eine Ursache für kognitive Probleme nach COVID sind. Fibrinogen kann direkt auf das Gehirn und seine Blutgefäße wirken, während D-Dimer oft Blutgerinnsel in der Lunge reflektiert und die Probleme im Gehirn auf Sauerstoffmangel zurückzuführen sein können. Im Einklang mit dieser Möglichkeit hatten Menschen, die hohe D-Dimer-Spiegel aufwiesen, nicht nur ein höheres Risiko für Gehirnnebel, sondern auch ein höheres Risiko für Atemwegsprobleme.“

Das ultimative Ziel bestehe jetzt darin, die kognitiven Probleme, die bei vielen Menschen nach einer COVID-19-Infektion auftreten, zu verhindern und umzukehren. Obwohl die Ergebnisse einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis der Ursachen dieser Symptome darstellten, seien weitere Untersuchungen zu den Ursachen und Auswirkungen erforderlich, bevor mögliche Interventionen vorgeschlagen und getestet werden können, so Maxime Taquet in einem Statement.

Der vollständige Artikel mit dem Titel „Acute blood biomarker profiles predict cognitive deficits 6 and 12 months after COVID-19 hospitalization “ kann in NATURE MAGAZINE nachgelesen werden:

https://www.nature.com/articles/s41591-023-02525-y