Alzheimer Früherkennung: Sprachtest soll Demenz in 60 Sekunden erkennen

Demenz-Screening in nur 60 Sekunden: Schnelltest dank KI künftig auch in Hausarztpraxen möglich

Alzheimer und andere Demenz-Erkrankungen sind weltweit massiv auf dem Vormarsch. Heilung gibt es bekanntlich nicht, die Ursachenfindung ist nach wie vor Gegenstand der Forschung, die Amyloid-Hypothese steht weiterhin auf dem Prüfstand, zumal die einstmals als wegweisende bekannte Studie aus dem Jahre 2006 dazu gerade zurückgezogen wurde1, neue Medikamente wie Lecanemab stehen wegen ihrer hohen Nebenwirkungslast und dem enormen organisatorischem Aufwand in der Kritik (eine Zulassungsentscheid der EMA für Europa soll für das Jahr 2025 zu erwarten sein) und die diese Krankheiten nachweislich verzögernden, die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessernden physikalische Therapieansätze wie etwa die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) aus dem Bereich der nicht-invasiven Hirnstimulation (NIBS) sind noch zu wenig verbreitet, um flächendeckend Einfluss auf diese regelrechte neurodegenerative Pandemie unserer Zeit nehmen zu können.

All dies schlägt sich auch in der dramatisch steigenden Anzahl der Pflegebedürftigen nieder, von denen ein erklecklicher Anteil Alzheimer- und sonstige Demenz-Patienten ausmacht. In Deutschland beispielsweise war man Ende Mai 2024 schockiert, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach neue Zahlen präsentierte: 360.000 anstatt nur 50.000 erwartete neue Pflegefälle waren allein im Jahr 2023 in der Bundesrepublik hinzugekommen – diese Zahl sei „geradezu explosionsartig“, so Lauterbach, und man habe nun ein „akutes Problem“.2

Mehr Früherkennung und Prävention: Wege zur frühzeitigen Eingrenzung von Demenz-Erkrankungen

Eine möglichst frühe Diagnostik und präventive Maßnahmen zur Vorbeugung, an Alzheimer oder anderen Demenzen zu erkranken, sind daher dringend gefragt. Neben der Entwicklung weiterer Bluttests (siehe hierzu auch: https://alzheimer-science.com/news/alzheimer-forschung/neuer-bluttest-erkennt-alzheimer ), haben ungarische Forscher nun einen einfachen Sprachtest präsentiert, der binnen nur 60 Sekunden klare Hinweise darauf geben soll, ob ein Patient im Verdacht steht, bereits an einer Demenz-Erkrankung zu leiden oder eine solche in naher Zukunft zu entwickeln.

Bei diesem Test steht allerdings nicht die exakte Diagnose im Vordergrund, sondern er soll es künftig vor allem Hausärzten, die nur wenige Minuten Zeit je Patient haben, ermöglichen zu entscheiden, ob die jeweils getestete Person direkt zum Facharzt zu umfangreicheren Demenz-Tests überwiesen werden sollte. So könnte wertvolle Zeit gewonnen werden. Darüber hinaus soll der Test dazu dienen, dass Patienten, die positiv auf den Test ansprechen, sich frühzeitig mit dem Thema Prävention auseinandersetzen (siehe hierzu auch: https://alzheimer-science.com/alzheimer-demenz/alzheimer-praevention-wie-vorbeugen ).

Neuartige Sprachanalytik zur Früherkennung kognitiver Beeinträchtigungen

Die Analyse temporaler Anomalien in der Sprachproduktion könnte sich daher als besonders geeignet erweisen, um leichte kognitive Beeinträchtigungen rasch zu identifizieren und das Risiko einer zukünftigen Demenzerkrankung zu bestimmen. Diese Erkenntnisse wurden kürzlich auf dem 32. European Congress of Psychiatry präsentiert.

Psychiater Dr. János Kálmán und sein Forschungsteam von der Universität Szeged in Ungarn haben das automatisierte Verfahren zur Sprachanalyse, den sogenannten Speech-Gap-Test (S-GAP-Test), in den vergangenen fünf Jahren entwickelt3,4. Dieser Test analysiert zeitliche Besonderheiten in der Sprachproduktion. Laut Kálmán zeichnet sich der Test dadurch aus, dass er nicht durch phonologische und semantische Aspekte der Sprache unnötig verkompliziert wird.

Speech-Gap-Test: Analyse zeitlicher Effekte der Sprache

Der Speech-Gap-Test analysiert diverse Parameter der Sprachproduktion, einschließlich der Sprechgeschwindigkeit, der Häufigkeit und Dauer von Sprechpausen sowie des Zögerns beim Sprechen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass bereits eine 60-sekündige Sprachprobe dabei ausreichend ist, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Im Gegensatz dazu benötigen andere in der Entwicklung befindliche automatische Programme zur Sprachanalyse deutlich umfangreichere Sprachproben und damit mehr Zeitaufwand.

Das Forschungsteam entschied sich nach der Erprobung verschiedener Ansätze für die Analyse zeitlicher Sprachparameter: „Diese Parameter sind weniger von kulturellen und bildungsbedingten Einflüssen abhängig und könnten daher zuverlässigere Ergebnisse liefern als semantische Analysen,“ so Kálmán.

Vielversprechende Ergebnisse über Sprachbarrieren hinweg

Obwohl der S-GAP-Test ursprünglich mit ungarischen Muttersprachlern entwickelt worden war, hat das Forschungsteam um Dr. Kálmán mittlerweile gezeigt, dass der Test auch bei englischen und deutschen Muttersprachlern gleichermaßen effektiv ist. Der nächste Schritt besteht nun darin, den Test mit spanischen Muttersprachlern zu validieren.

Ein effizientes Instrument für das Frühscreening von Demenzen, das aber nicht zur Diagnose dient

Der S-GAP-Test ist derzeit ausschließlich für das frühe Screening konzipiert und dient nicht zur Diagnose von Demenzerkrankungen. Dr. Kálmán betont, dass sein Team daher auch nicht beabsichtigt, den Test als Medizinprodukt registrieren zu lassen.

Die Zielsetzung des Forschungsteams hat sich zwischenzeitlich auch von einer rein telemedizinischen Lösung hin zu einer breiteren Anwendung verschoben, die möglicherweise bald für jedermann verfügbar sein könnte. Das langfristige Ziel ist, dass der S-GAP-Test als App heruntergeladen und auf einem Smartphone genutzt werden kann. Auch schließt Dr. Kálmán die Entwicklung einer anspruchsvolleren Version des S-GAP-Tests nicht aus, die zeitliche Sprachparameter mit Biomarkern oder weiteren klinischen Parametern kombinieren könnte. Ein solcher Test könnte Neurologen dann bei der Diagnostik von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen ebenfalls unterstützen.

Quellen:

1 https://pubpeer.com/publications/8FF7E6996524B73ACB4A9EF5C0AACF
2 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/151686/Zahl-der-Pflegebeduerftigen-in-Deutschland-steigt-ueberraschend-massiv
3 https://www.eurekaselect.com/article/122670
4 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35440309/