Meta-Analyse: Kein Durchbruch bei Alzheimer durch β-Amyloid-Antikörper

Lecanemab und Donanemab haben geringen Nutzen bei hohen Risiken und enormen Kosten

Die Einführung neuer Antikörper-Medikamente wie Lecanemab und Donanemab soll eigentlich einen potenziellen Wendepunkt in der Alzheimer-Forschung markieren. Diese Therapien, die auf eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs durch die Reduzierung von Amyloid-Proteinablagerungen im Gehirn abzielen, werden jedoch höchst kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite stehen Hoffnungen auf einen Durchbruch, auf der anderen ernsthafte Bedenken hinsichtlich Wirksamkeit, Kosten und Sicherheit. Eine neue, umfassende Metaanalyse legt jetzt offen, dass die Patienten mit hohen Kosten, marginalen Verbesserungen und einer Vielzahl von Nebenwirkungen rechnen müssen.

Die systemische Analyse der Universitäten Georgia und Michigan, die in „Annals of Family Medicine“ erschien, überprüfte 19 randomisierte, placebokontrollierte Studien mit mehr als 23.000 von Alzheimer betroffenen Personen, die mit acht unterschiedlichen monoklonalen Amyloid-Antikörpern behandelt wurden. Die Übersichtsarbeit ergab, dass diese Therapien auf der kognitiven und funktionellen Ebene kaum Nutzen zeigten. Kein Medikament erreichte für irgendeinen der bewerteten Scores einen „minimal klinisch signifikanten Unterschied“ (MCID). Stattdessen waren mit der Behandlung stets erhebliche Risiken wie Hirnödemen und Blutungen verbunden.

Anti-Amyloid-Antikörper in der Alzheimer-Therapie: Hohe Erwartungen, Ergebnisse klinisch nicht aussagekräftig

Die Metaanalyse der bisherigen Studien zu Anti-Amyloid-Antikörpern in der Behandlung von Alzheimer hat ernüchternde Ergebnisse geliefert. Obwohl signifikante Verbesserungen in manchen kognitiven und funktionellen Tests festgestellt wurden, galten diese Fortschritte als klinisch nicht aussagekräftig.

Demgegenüber steht die hohe Frequenz an Nebenwirkungen. Seit der Zulassung von Aducanumab und Lecanemab in den USA ist das Thema Anti-Amyloid-Antikörper in der Diskussion über neurodegenerative Erkrankungen omnipräsent. Insbesondere die Genehmigung von Aducanumab sorgte bereits für heftige Kontroversen, da ein klinischer Nutzen lediglich in einer der beiden Studien zur Zulassung belegt werden konnte. Die Zulassung stützte sich schließlich auf die positive Beeinflussung von Surrogat-Markern, insbesondere die Reduktion der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn.

Inzwischen wurde die Vermarktung von Aducanumab durch den Hersteller eingestellt, während Lecanemab eine reguläre Zulassung von der FDA erhielt und eine Zulassung durch die EMA in Europa im laufenden Jahr erwartet wird. Donanemab, ein weiterer Kandidat unter den Anti-Amyloid-Antikörpern, steht nach vielversprechenden Studienergebnissen kurz vor der Zulassung.

Vor der Einführung in Europa: Kritische Fragen zu Patienten-Sicherheit und Wirtschaftlichkeit

Die anstehende Einführung der neuen Antikörper wirft kritische Fragen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Sicherheit auf. Mit einem Jahrespreis von rund 27.000 Dollar in den USA – und voraussichtlich ähnlichen Summen in Europa – sind die Kosten für Lecanemab enorm. Dies stellt eine erhebliche finanzielle Belastung dar, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Therapie regelmäßig mit Nebenwirkungen verbunden ist. Besonders bedenklich sind die sogenannten ARIA (Amyloid-related Imaging Abnormalities), spezifische Nebenwirkungen dieser Medikamentenklasse, die auf bildgebenden Verfahren sichtbar werden und ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Patientensicherheit aufwerfen.

Die neuen Antikörper-Therapien gegen Alzheimer rufen zerebrale Ödeme und Blutungen hervor, die zwar oft symptomfrei bleiben, deren langfristige Auswirkungen jedoch unbekannt sind, da es an Langzeitdaten fehlt. Diese Veränderungen, sichtbar im MRT, erfordern eine sorgfältige Überwachung und gegebenenfalls einen Abbruch der Therapie, was zusätzlichen logistischen Aufwand und erhöhte wirtschaftliche Kosten nach sich zieht. Die Rechtfertigung für die hohen Kosten und das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen hängt also stark von dem klinischen Nutzen ab, den die Therapie für die Patienten bietet.

Keine der Therapien kann klinisch relevante Verbesserungen erreichen

Die Meta-Analyse und die Einzelbewertungen der zugelassenen oder zur Zulassung anstehenden Antikörper ergaben, dass keine dieser Therapien eine klinisch relevante Verbesserung erreichen konnte. Gleichzeitig trat bei jedem zehnten Patienten zerebrale Ödeme und Blutungen auf, was die Autoren zu dem Schluss kommen lässt, dass bisher kein Anti-Amyloid-Antikörper einen klinisch relevanten Nutzen gezeigt hat, der die Nebenwirkungen überwiegt. Diese Erkenntnisse stellen die Effektivität und Sicherheit der Antikörper-Therapien in Frage und betonen die Notwendigkeit weiterer Forschung, um wirksame und sichere Behandlungsmethoden für Alzheimer zu finden.

Das Forscherteam zieht die Schlussfolgerung, dass die Hoffnung, mittels β-Amyloid-Antikörpern in Zukunft die durch Alzheimer bedingte Krankheitsbelastung und das persönliche Leiden signifikant zu reduzieren, durch die Ergebnisse der Metaanalyse nicht gestützt wird.

Die Autoren um Mark H. Ebell, University of Georgia, schreiben: „Die Alzheimer-Krankheit verursacht bei den Betroffenen enormes Leid, schwere Belastungen für ihre Familien und Betreuer und enorme Kosten für das Gesundheitssystem. Jede dieser Gruppen hofft auf wirksame Instrumente, um diese Belastungen zu lindern und die Zeit eines sinnvollen Lebens zu verlängern. Unsere Metaanalyse zeigt jedoch, dass monoklonale Antikörper gegen Amyloid keinen klinisch bedeutsamen Nutzen bieten, mit erheblichen Schäden und mit hohen Kosten verbunden sind.“

Quelle:

https://www.annfammed.org/content/22/1/50