Weitere Ursache für das Entstehen von Alzheimer-Demenz gefunden
APOE4 soll nicht nur Demenzrisiko erhöhen, sondern Alzheimer direkt auslösen
Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass genetische Faktoren dazu beitragen, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Jüngste Forschungsergebnisse, die am 06. Mai 2024 im Fachjournal „Nature Medicine“ publiziert wurden, zeigen nun jedoch, dass eine bereits bekannte Genvariante, Apolipoprotein-4 (APOE4), nicht nur das Risiko für Demenz steigert, sondern Alzheimer direkt auslösen kann. Dies gilt insbesondere für Menschen, die zwei Kopien dieses Gens tragen. Solche homozygoten Träger der APOE4-Variante entwickeln fast ausnahmslos pathologische Amyloid-Ablagerungen im Gehirn im Alter. Folglich ist APOE4 nicht nur ein Risikofaktor, sondern in seiner doppelten Ausprägung auch ein direkter genetischer Auslöser der Krankheit, wie aus den neuen Forschungsergebnissen hervorgeht.
Das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, wird teilweise durch genetische Prädispositionen bestimmt. Während einige seltene Genmutationen zu einem besonders frühen Krankheitsbeginn führen, sind es meist bestimmte Genvarianten und deren Kombinationen, die das Demenzrisiko zwar erhöhen, jedoch nicht unweigerlich zu Alzheimer führen müssen. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei Varianten des Gens Apolipoprotein E (APOE), das zentral für den Cholesterinabbau, Fettstoffwechsel und Entzündungsreaktionen ist. Insbesondere die Variante APOE4 ist durch frühere Studien als Risikofaktor für Alzheimer bekannt geworden.
Detaillierte Untersuchung der APOE4-Genvariante und deren Einfluss auf Alzheimer
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Juan Fortea am Biomedical Research Institute Sant Pau in Barcelona hat die Auswirkungen der APOE4-Genvariante jetzt eingehender analysiert. Obwohl einige Menschen nur eine Kopie dieser Genvariante von ihren Eltern erben und auf dem zweiten Allel die Nicht-Risiko-Variante APOE3 tragen, besitzen etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung zwei Kopien von APOE4. Personen, die homozygot für die APOE4-Variante sind, zeigen, wie die Forschung nun festgestellt hat, ein signifikant erhöhtes Alzheimer-Risiko.
Zur genaueren Analyse untersuchten Fortea und sein Team die Gehirne von 3.297 verstorbenen Alzheimer-Patienten aus den USA, einschließlich 273 Personen, die homozygot für das APOE4-Gen waren. Zusätzlich analysierten sie 10.039 lebende Alzheimer-Patienten aus Europa und den USA, darunter 519 Personen mit der doppelten APOE4-Genvariante.
Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich: Nahezu alle Personen mit zwei Kopien der APOE4-Variante wiesen Symptome von Alzheimer auf. Schon ab einem Alter von 55 Jahren zeigten sie höhere Werte typischer Alzheimer-Biomarker im Blut im Vergleich zu Trägern der APOE3-Variante. Ab 65 Jahren fanden sich bei 95 Prozent der homozygoten Teilnehmer abnormal erhöhte Amyloid-Proteinwerte im Nervenwasser, was als deutliches Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung gilt. Die betroffenen Personen entwickelten daher fast sicher im Laufe ihres Lebens Alzheimer-Symptome, die durchschnittlich sieben bis zehn Jahre früher auftraten als bei Personen mit anderen APOE-Varianten oder nur einer Kopie des APOE4-Gens.
Reklassifikation von APOE4-Homozygotie als genetisch bedingte Alzheimer-Krankheit
Bisher wurde als genetisch bedingt hauptsächlich die früh auftretende autosomal-dominante Alzheimer-Krankheit (ADAD) betrachtet, die durch Mutationen in den Genen für das Amyloid-Vorläuferprotein (APP), Presenilin 1 (PSEN1) und Presenilin 2 (PSEN2) verursacht wird. Das APOE4-Allel hingegen galt bislang als ein lediglich relevantes Risikoallel für eine sporadisch auftretende und sich spät manifestierende Form von Alzheimer. Fortea und seine Kollegen argumentieren jedoch für eine Neubewertung: Sie präsentieren überzeugende Belege, um die APOE4-Homozygotie als eine eigene Form der genetisch bedingten Alzheimer-Krankheit, analog zur ADAD, zu klassifizieren.
Neue Erkenntnisse über die Rolle der APOE4-Genvariante in der Alzheimer-Krankheit
Die Homozygotie von APOE4 erfüllt demnach die drei Hauptmerkmale einer genetisch bedingten Krankheit: Die Erkrankung tritt nahezu sicher ein, der Beginn der Symptome ist vorhersagbar, und die Entwicklung von Biomarkern sowie anderen medizinisch messbaren Veränderungen folgt einem konstanten Muster. Und obwohl sich die Symptome nach ihrem Ausbruch nicht von anderen Formen der Alzheimer-Krankheit unterscheiden lassen, ist der Weg zur Krankheit selbst deutlich nachvollziehbar.
In einem begleitenden Kommentar zur Studie beschreibt das Team um Qin Xu vom Gladstone Institute of Neurological Disease in San Francisco die APOE4-Variante als ursächlichen Auslöser und nicht bloß als Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Dies betont die Dringlichkeit, die Mechanismen zu verstehen, durch welche APOE4 die Pathogenese der Krankheit initiiert und vorantreibt. „Die Ergebnisse dieser Studie sollten dazu anregen, APOE4 als prioritäres therapeutisches Ziel zu betrachten“, so das Team. Es eröffnen sich somit neue Möglichkeiten für präventive und therapeutische Ansätze speziell für diese Patientengruppe. Allerdings ist es zunächst essenziell, den genauen Mechanismus aufzuklären, durch den die doppelte APOE4-Variante ihre Träger krank macht.
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