Solanezumab in Phase-III-Studie endgültig gescheitert

Monoklonaler Antikörper zeigt keine Wirkung bei präklinischer Alzheimer-Erkrankung

Die Suche nach einem effektiven Medikament zur Behandlung oder Prävention von Alzheimer ist eine der dringlichsten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Viele Expert:innen glauben, dass eine Alzheimer-Behandlung mit Anti-Amyloid-Antikörpern sinnvoll  ist und bei den Betroffenen so früh wie möglich eingeleitet werden sollte.

Während es bereits mehrere Medikamente auf dem Markt gibt, die darauf abzielen, die Symptome dieser degenerativen Gehirnerkrankung zu lindern, hat sich bisher keines als wirksam in der tatsächlichen Verhinderung oder Umkehrung der Krankheit herausgestellt.

Solanezumab: Sicher, aber ohne Effektivität auch im präklinischen Alzheimer-Stadium

Ein weiterer Kandidat, der monoklonale Antikörper Solanezumab, ist nun endgültig in einer Phase-III-Studie gescheitert. Solanezumab hatte in vorangegangenen Studien bereits bei symptomatischen Alzheimer-Patient:innen keine Verzögerung des Krankheitsverlaufs erreicht und zeigte in der sogenannten A4-Studie („Anti-Amyloid Treatment in Asymptomatic Alzheimer’s Disease“) in einem Beobachtungszeitraum von 4,5 Jahren auch bei Patient:innen im präklinischen Stadium der Krankheit keine Effektivität.

Für die Studie war Solanezumab ausgewählt worden, da es sich in früheren Untersuchungen als sicher herausgestellt hatte. Zudem schien es bei Patient:innen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen zunächst positive Wirkungen zu zeigen, auch wenn diese Ergebnisse in nachfolgenden Phase-3-Studien nicht bestätigt werden konnten.

Solanezumab sollte das Entstehen neuer Amyloid-Ablagerungen im Gehirn unterbinden

Ein weiterer Grund für den Einsatz von Solanezumab war seine Fähigkeit, an die Monomere von Beta-Amyloiden zu binden und deren Zusammenlagerung zu verhindern. Gemäß der zum Zeitpunkt der Studienplanung bevorzugten „Sink“-Hypothese sollte Solanezumab das Entstehen neuer Ablagerungen im Gehirn unterbinden. Im Gegensatz dazu zielen die in den USA bereits zugelassenen Medikamente Donanemab und Lecanemab darauf ab, bereits vorhandene Amyloid-Ansammlungen abzubauen.

In der Studie waren insgesamt 4.485 Personen im Alter von 65 bis 85 Jahren aus 67 Zentren in Nordamerika, Australien und Japan mittels PET untersucht worden. Alle zeigten unauffällige Werte sowohl in der „Clinical Dementia Rating“-Skala als auch in der „Mini-Mental State Examination“. Lediglich Menschen mit besonders hohen Ergebnissen im „Logical Memory Delayed Recall“ des Wechsler-Intelligenztests waren von der Studie ausgeschlossen worden.

Die Teilnehmer:innen erhielten alle vier Wochen eine intravenöse Injektion. Anfangs lag die Dosis von Solanezumab bei 400 mg. 2017 wurde sie allerdings auf 1.600 mg angehoben, nachdem die nicht überzeugenden Resultate der Phase-3-Studien bei symptomatisch erkrankten Patienten veröffentlicht worden waren.

Die Therapie erstreckte sich über einen Zeitraum von 240 Wochen, also etwa 4,5 Jahre. Wie das Forschungsteam um Paul Aisen vom „Alzheimer’s Therapeutic Research Institute“ an der Universität von Kalifornien in San Diego mitteilte, zeigte der PACC („Preclinical Alzheimer Cognitive Composite“) während der ersten beiden Jahre der Untersuchung in beiden Gruppen kaum Unterschiede.

Im weiteren Verlauf zeigte sich ein Rückgang der Werte. In der Gruppe, die mit Solanezumab behandelt wurde, war dieser Abfall tendenziell stärker. Nach 240 Wochen verzeichneten sie im Durchschnitt einen Rückgang von 1,43 Punkten, verglichen mit einem Abfall von 1,13 Punkten in der Placebogruppe. Die resultierende Differenz von 0,30 Punkten erwies sich mit einem 95-%-Konfidenzintervall zwischen -0,22 und 0,82 Punkten als nicht signifikant.

Ein Drittel der Proband:innen entwickelte kognitive Beeinträchtigungen im Studienverlauf

Besonders enttäuschend war, dass die Amyloid-Ablagerungen in der mit Solanezumab behandelten Gruppe um 11,6 Centiloide weniger stark angestiegen waren, verglichen mit einem Anstieg von 19,3 Centiloiden in der Placebogruppe. Diese Differenz von 7,7 Centiloiden war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 5,1 bis 10,4 Centiloiden signifikant. Doch auch dies verhinderte nicht, dass sich im Laufe der Studie bei den ersten Patient:innen beider Gruppen kognitive Beeinträchtigungen einstellten. Laut der „Clinical Dementia Rating“-Skala war dies bei 36 % der Proband:innen der Fall.

Obwohl sich die Behandlung mit Solanezumab als sicher herausstellte und „Amyloid-related imaging abnormalities“ (ARIA) nicht öfter als in der Placebogruppe auftraten, fehlt somit ein belegter Nutzen, wodurch der Einsatz von Solanezumab obsolet wird. Aisen interpretiert die Ergebnisse dahingehend, dass ein bloßes Verlangsamen der Amyloid-Akkumulation, ohne die bereits existierenden Amyloide abzubauen, offenbar nicht ausreicht, den schleichenden kognitiven Verfall bei Patient:innen in den frühen, asymptomatischen Stadien des Morbus Alzheimer aufzuhalten.

Quellen:

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2305032

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/144715/Solanezumab-ohne-Wirkung-im-asymptomatischen-Fruehstadium-des-Morbus-Alzheimer