Fachmagazin Science schreibt zu Donanemab: „Es ist kein Wundermittel“
Antikörper bremst den Verlauf der Alzheimer-Krankheit, doch Bedenken bleiben bestehen.
Mit dem Antikörper Donanemab soll Alzheimer-Patient:innen neue Hoffnung auf eine effektivere Behandlung gegeben werden. Doch Chancen und Risiken werden, wie auch bei Lecanemab, in der Welt der Wissenschaft weiterhin kontrovers diskutiert.
Obwohl eine erste Auswertung der klinischen Studiendaten andeutet, dass Donanemab eventuell effektiver sein könnte als sein ähnlich wirkender Konkurrent Lecanemab, gesteht das Unternehmen Eli Lilly ein, dass es zu Todesfällen und gravierenden Nebenwirkungen im Gehirn gekommen ist.
Studienergebnisse: Donanemab kann das Fortschreiten der Krankheit geringfügig verlangsamen
Die von Eli Lilly am 03. Mai 2023 präsentierten klinische Studienergebnisse zum Antikörper Donanemab zeigen, dass der Wirkstoff das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit geringfügig verlangsamen kann. Diese Daten bestärken die umstrittene Theorie, dass die Verminderung der Beta-Amyloid-Ansammlungen im Gehirn bei der Behandlung der neurodegenerativen Erkrankung helfen könnte.
Daniel Skovronsky, wissenschaftlicher Leiter von Eli Lilly, erklärte dazu, dass Donanemab die kognitiven und funktionalen Fähigkeiten bei Alzheimer-Patient:innen in frühem Erkrankungsstadium um 35 Prozent im Vergleich zu einem Placebo verbessert habe. Alzheimer-Forscherin Donna Wilcock wies darauf hin, dass der Nutzen von Donanemab dem des ähnlichen Antikörpers Lecanemab ähnele und möglicherweise sogar überträfe.
Es wurden jedoch auch massive Risiken im Zusammenhang mit Donanemab festgestellt, darunter Hirnschwellungen und Blutungen, die mit mehreren Todesfällen in der Studie in Zusammenhang stehen, wie das Unternehmen Eli Lilly einräumte. Ähnliche Gefahren wurden auch bei Lecanemab beobachtet. Beide Medikamente werden von Eisai und Biogen vermarktet.
Da die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA über die Zulassung von Lecanemab entscheidet und Eli Lilly plant, Donanemab zur Prüfung vorzulegen, könnten nun viele schwierige Gespräche über die Risiken der Einnahme dieser Medikamente anstehen.
Der Neurologe Nicolas Villain von der Pariser Sorbonne-Universität etwa, der selbst an Donanemab forscht, warnt, dass Donanemab „kein Wundermittel“ sei und möglicherweise hohe Risiken berge. Beide Antikörper, Donanemab und Lecanemab, binden an Beta-Amyloid im Gehirn und fördern dessen Beseitigung. Gehirnscans zeigten, dass Donanemab das Protein effektiv abbaut, was bei über der Hälfte der Studienteilnehmer:innen zur Verringerung der Amyloid-Plaque führte.
Die vorläufigen Ergebnisse der Studie zeigten auch, dass sich die kognitiven und physischen Funktionen der mit Donanemab behandelten Personen langsamer verschlechterten als bei den Placebogruppen. Damit zeigt Donanemab ähnliche Ergebnisse wie die Studie zu Lecanemab, die ein Jahr zuvor veröffentlicht worden war.
Hersteller will weitere Studiendetails im Juli 2023 veröffentlichen
Eli Lilly hat bisher nur die Topline-Zahlen der Studie präsentiert und plant, weitere Daten im Juli 2023 auf einer Alzheimer-Konferenz zu veröffentlichen. Das Unternehmen berichtet, dass das Medikament basierend auf ihrer eigenen Skala das Fortschreiten der Krankheit um 35 Prozent verlangsame. 36 Prozent sind es nach der breiter angelegten „Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes“-Skala. 47 Prozent der behandelten Studienteilnehmer:innen hatten laut CDR-SB keine Verschlechterung der Krankheitsschwere, verglichen mit 29 Prozent in der Placebogruppe. Laut Eli Lilly konnten die behandelten Personen auch alltägliche Aktivitäten besser ausführen.
Rolle des Tau-Proteins ebenfalls untersucht
Die Eli-Lilly-Studie untersuchte auch das Tau-Protein, das bei Alzheimer eine Rolle spielt. Im Gegensatz zu Beta-Amyloid bildet Tau Klumpen innerhalb von Neuronen. Da vermutet wurde, dass Personen mit hohen Tau-Werten weniger auf die Antikörperbehandlung ansprechen könnten, wurden sie einer speziellen Studiengruppe zugeordnet.
Laut Eli Lilly profitierten auch die Personen mit hohen Tau-Werten von Donanemab, was darauf hindeutet, dass das Medikament möglicherweise auch in späteren Krankheitsstadien nützlich sein könnte. Die Frage, ob die Aufsichtsbehörden von dieser neuen Patientenselektionsmethode überzeugt werden können, bleibt jedoch offen.
In der Diskussion: Klinischer Nutzen im Verhältnis zu schwerwiegenden Nebenwirkungen
Externe Forscher werden Eli Lillys Analyse jedenfalls kritisch prüfen, um den tatsächlichen klinischen Nutzen des Medikaments im Verhältnis zu den Risiken schwerwiegender Nebenwirkungen zu beurteilen. Insbesondere Eli Lillys eigene Alzheimer-Skala ist weniger validiert als die CDR-SB Skala, und der absolute Unterschied zwischen den Behandlungs- und Placebogruppen nach CDR-SB war gering. Die Debatte darüber, welcher Skalenwert einen signifikanten Unterschied in der Krankheitsschwere darstellt, ist noch im Gange.
Die Ergebnisse von Eli Lilly könnten jedenfalls die Bedenken bezüglich der Risiken von Antikörpern, die auf Amyloid abzielen, verstärken. Lecanemab wurde mit Todesfällen und schweren Hirnschäden in Verbindung gebracht. Wissenschaftler:innen sind deshalb gespannt auf zusätzliche Daten, um die Risiken von Donanemab einschätzen zu können. Darüber hinaus könnten Betroffene, die bestimmte Medikamente einnehmen oder die Genvariante APOE4 besitzen, besonders anfällig für die Nebenwirkungen der Antikörper sein, heißt es in Fachkreisen.
Laut Eli Lilly traten bei 24 Prozent der Personen, die den Antikörper erhielten, eine Form der Hirnschwellung namens ARIA-E auf, während 31,4 Prozent der mit Antikörpern behandelten Personen eine schwerere Form namens ARIA-H entwickelten. Das Unternehmen stellte dazu fest, dass die meisten ARIA-Fälle leicht bis mittelschwer waren und sich nach geeigneter Behandlung stabilisierten. Es gab jedoch auch schwere Fälle von ARIA und Details zum Tod von drei Studienteilnehmer:innen wurden nicht bekannt gegeben.
Trotz all dieser Risiken sehen jene Wissenschaftler:innen, die die Amyloid-Hypothese zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit unterstützen, in den aktuellen Ergebnissen eine Bestätigung, dass Beta-Amyloid ein Hauptfaktor für die Krankheit ist. Selbst wenn das Gesamt-Risiko-Nutzen-Verhältnis der Antikörper nicht positiv ist, so könnte ihr teilweiser Erfolg doch zu besseren und sichereren Methoden zur Entfernung oder Verminderung der Amyloid-Bildung führen.
Klinische Aussagekraft, Sicherheit und auch Kosten noch weiter offen
Viele weitere Fragen, etwa, ob nun Donanemab oder eben Lecanemab den größeren Vorteil bietet und wie viel die Behandlung kosten wird, müssen noch beantwortet werden. Obwohl einige Wissenschaftler:innen sagen, dass die „neue Ära der Alzheimer-Behandlung“ endlich beginnt, mahnen andere zur großer Vorsicht. Letztendlich müssen „die klinische Aussagekraft, Sicherheit und Zugänglichkeit von Donanemab noch ermittelt werden und können nur durch die vollständige, transparente und zeitnahe Offenlegung aller Daten, insbesondere derjenigen im Zusammenhang mit unerwünschten Ereignissen und Sicherheitsbedenken“, bewertet werden, twitterte Madhav Thambisetty vom US National Institute on Aging am Morgen des 03. Mai 2023 entsprechend.
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