Reaktive Astrozyten als Ursache von Alzheimer?

Koreanische Forschende vermuten Schlüsselrolle bei der Entstehung von Neuropathologien

Ein Team südkoreanischer Wissenschaftler:innen hat einen weiteren Durchbruch in der Alzheimer-Forschung erzielt. Sie haben einen Mechanismus entdeckt, bei dem Astrozyten erhöhte Mengen an Acetaten aufnehmen und in reaktive Astrozyten umwandeln. Dieser Prozess wurde erstmals durch ein neu entwickeltes bildgebendes Verfahren sichtbar gemacht.

Alzheimer, eine Hauptursache für Demenz, ist mit Neuroinflammation verbunden. Lange wurde angenommen, Amyloid-Beta-Plaques seien verantwortlich, doch Therapien, die diese Plaques anvisieren, zeigten wenig Wirkung. Die koreanischen Wissenschaftler:innen hingegen postulieren nun reaktive Astrozyten als Ursache. Astrozyten sind ein Teil der Gruppe der Gliazellen, die als nicht-elektrisch aktive Zellen des Nervensystems fungieren. Im Gehirn erfüllen sie diverse lebenswichtige Aufgaben. Diese Zellen helfen, neuronale Netzwerke zu organisieren und isolieren durch ihre Verästelungen Neuronen voneinander. Sie gelten als Marker der Neuroinflammation bei Alzheimer und gehen oft der neuronalen Degeneration voraus.

Nun bestätigten die Forschenden auch die Existenz eines aktivierten Harnstoffzyklus in Astrozyten, der Demenz fördert. Allerdings fehlten bisher bildgebende Verfahren zur Beobachtung reaktiver Astrozyten auf klinischer Ebene. Eine innovative Bildgebungstechnik visualisiert Interaktionen von reaktiven Astrozyten und Neuronen, liefert neue Erkenntnisse zur Alzheimer-Pathologie und könnte so einen Durchbruch für Diagnose und Behandlung von Demenz darstellen.

Neue Bildgebungstechnik zur Beobachtung der Astrozyten-Neuronen-Interaktionen

Die reaktive Astrogliose bezeichnet eine Reaktion von Astrozyten im Zentralnervensystem auf gestörte Homöostase. Sie ist durch Veränderungen in Anzahl, Form und Funktion der Astrozyten gekennzeichnet und spielt eine Schlüsselrolle bei Neuropathologien wie Neurotrauma, Schlaganfall und neurodegenerativen Erkrankungen. Das koreanische Team wies nach, dass Astrozyten erhöhte Mengen an Acetaten aufnehmen, was sie in reaktive Astrozyten umwandelt. Darauf basierend entwickelten die Forschenden eine Bildgebungstechnik zur Beobachtung der Astrozyten-Neuronen-Interaktionen.

Alzheimer, eine Hauptursache für Demenz, ist mit Gehirnentzündungen verknüpft. Trotz der Annahme, Amyloid-Beta-Plaques seien die Ursache, zeigten darauf ausgerichtete Therapien bislang wenig oder gar keinen Erfolg in der Behandlung oder Verlangsamung von Alzheimer.

Reaktive Astrogliose geht häufig einer neuronalen Degeneration oder dem Tod voraus

Die südkoreanischen Wissenschaftler:innen unter der Leitung von Direktor C. Justin LEE vom Center for Cognition and Sociality des Institute for Basic Science hatte bereits über reaktive Astrozyten und das Enzym MAO-B als mögliche Therapieziele für AD berichtet. Jetzt bestätigten sie zudem die Existenz eines Harnstoffzyklus in Astrozyten, der Demenz fördert. Trotz dieser bedeutenden Entdeckung gab es bisher keine bildgebenden Sonden zur klinischen Beobachtung reaktiver Astrozyten.

In dieser neuesten Forschung verwendete Lee‘s Team eine Positronenemissionstomographie (PET)-Bildgebung mit radioaktivem Acetat und Glukosesonden (11 C-Acetat und 18 F-FDG) zur Visualisierung der Veränderungen im neuronalen Stoffwechsel bei AD-Patienten.

Dr. NAM Min-Ho, Mitautor der Studie, betonte den akademischen und klinischen Wert dieser Forschung durch die Visualisierung reaktiver Astrozyten, die als Hauptursache für AD betrachtet werden. Die Forschenden stellten fest, dass Acetat, ein Hauptbestandteil von Essig, reaktive Astrogliose fördert, die Putrescin (Butan-1,4-diamin) und GABA produziert und so zu Demenz führt.

Hemmung reaktiver Astrogliose kann Stoffwechselveränderungen rückgängig machen

In Nagetiermodellen wiesen sie nach, dass reaktive Astrozyten übermäßig Acetat aufnehmen, vermittelt durch den Monocarboxylattransporter-1 (MCT1). Sie verbanden diese erhöhte Acetataufnahme mit reaktiver Astrogliose und einer gesteigerten, fehlerhaften GABA-Synthese in Astrozyten in Anwesenheit von Amyloid-Beta, dem bekannten Alzheimer-Toxinprotein.

Die Wissenschaftler:innen demonstrierten, dass die PET-Bildgebung mit 11 C-Acetat und 18 F-FDG verwendet werden kann, um den durch reaktive Astrozyten verursachten Acetat-Hypermetabolismus und den verbundenen neuronalen Glukose-Hypometabolismus bei Neuroinflammation und Alzheimer-Demenz sichtbar zu machen. Die Hemmung von reaktiver Astrogliose und der astrozytischen MCT1-Expression im AD-Mausmodell konnte diese Stoffwechselveränderungen wiederum rückgängig machen.

Dr. YUN Mijin, einer der Hauptautoren der Studie, merkt dazu an: „Reaktive Astrozyten nehmen im Vergleich zum Normalzustand übermäßig Acetat auf, welches eine wichtige Rolle bei astrozytischen Entzündungsreaktionen spielt.“

Südkoreanische Forschende sehen neue Ansätze für die Alzheimer-Therapie

Die neue Bildgebungsstrategie ermöglichte es dem Team, durchgängige Stoffwechselveränderungen im Acetat- und Glukosestoffwechsel sowohl im Alzheimer-Mausmodell als auch bei menschlichen Alzheimer-Patienten zu beobachten. Die Untersuchungen bestätigten eine starke Korrelation zwischen der kognitiven Funktion der Patient:innen und den PET-Signalen sowohl von 11 C-Acetat als auch von 18 F-FDG. Dies legt nahe, dass Acetat, früher als spezifische Energiequelle für Astrozyten betrachtet, reaktive Astrogliose fördern und den neuronalen Stoffwechsel unterdrücken kann.

Dr. RYU Hoon, ein weiterer Autor der Studie, erläutert: „Wir schlagen einen neuen Mechanismus vor, der reaktive Astrogliose bei Gehirnerkrankungen auslöst, indem wir zeigen, dass Acetat nicht nur Energie für Astrozyten liefert, sondern auch reaktive Astrogliose fördert.“

Die Studie eröffnet neue Einsatzmöglichkeiten von 11 C-Acetat und 18 F-FDG-PET-Bildgebung zur Früherkennung von AD. Zudem weist der neu entdeckte Mechanismus der reaktiven Astrogliose durch Acetat und MCT1-Transporter auf ein neues Ziel für die Alzheimer-Demenz-Behandlung hin.

Quellen:

https://academic.oup.com/brain/advance-article-abstract/doi/10.1093/brain/awad037/7117615?redirectedFrom=fulltext

https://neurosciencenews.com/astrocyte-neuron-alzheimers-neuroscience-23024/