Morbus Alzheimer: Identifizierung von fünf distinkten Subtypen

Neue Erkenntnisse über Demenz-Formen basierend auf Liquor-Proteomik, Krankheitsverlauf und molekularen Grundlagen

Eine neue Studie aus den Niederlanden bietet Einblicke in die Heterogenität der Alzheimer-Erkrankung. Alzheimer-Demenz, als häufigste neurologische Erkrankung im Alter bekannt, zeigt eine bemerkenswerte Heterogenität, die bisher in ihrem vollen Umfang nicht verstanden wurde. Diese Wissenslücke hat sich als ein Hindernis bei der Entwicklung effektiver Therapien erwiesen. Aktuelle Behandlungen, darunter neuartige Antikörper-Therapien wie Lecanemab und Donanemab, zielen darauf ab, die Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn zu verlangsamen. Jedoch reichen diese Maßnahmen nicht aus, um das Fortschreiten der Demenz längerfristig zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Ein Grund für die begrenzte Wirksamkeit könnte in der Vielfalt der Alzheimer-Subtypen liegen, die bislang nicht hinreichend differenziert wurden.

Detaillierte Proteom-Analyse offenbart fünf Subtypen

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Betty Tijms am „Alzheimer Zentrum Amsterdam“ hat nun einen bedeutenden Durchbruch erzielt, indem es fünf distinkte Alzheimer-Subtypen identifizierte. Diese Entdeckung basiert auf einer detaillierten Analyse der Proteine in der Zerebrospinalflüssigkeit von 419 Alzheimer-Patient:innen und 197 gesunden Kontrollpersonen. Durch den Einsatz von Massenspektrometrie und KI-gestützten Methoden konnten die Forschenden signifikante Unterschiede in den Proteom-Profilen der Alzheimer-Patient:innen feststellen, die auf fünf klar unterscheidbare Subtypen hinweisen.

Subtypen mit unterschiedlichen klinischen und molekularen Charakteristika

Jeder der identifizierten Subtypen weist einzigartige Eigenschaften auf, sowohl in Bezug auf die Zusammensetzung und Konzentration veränderter Proteine als auch in ihren genetischen Risikoprofilen. Diese Unterscheidungen sind nicht nur auf molekularer Ebene signifikant, sondern korrelieren auch mit klinischen Merkmalen, wie der Progressionsgeschwindigkeit der Demenz, den spezifischen Symptomen und den Überlebenszeiten der Betroffenen. Beispielsweise zeigen Subtypen 2 und 5 ein höheres Risiko für einen schnelleren Übergang von milder kognitiver Beeinträchtigung zu voll ausgeprägter Demenz, während Subtyp 4 diesen Übergang langsamer vollzieht.

Subtyp-spezifische molekulare und genetische Befunde

Interessanterweise offenbarte die Studie auch subtyp-spezifische Muster in Bezug auf molekulare und genetische Ursachen. Subtyp 1 ist beispielsweise mit einer hohen neuronalen Plastizität verbunden, während Subtyp 2 durch immunspezifische Marker gekennzeichnet ist. Subtyp 3 zeigte Anomalien in der RNA-Regulation, ähnlich den Befunden bei der frontotemporalen Demenz. Subtyp 4 ist durch eine gestörte Funktion des Choroid Plexus charakterisiert, und bei Subtyp 5 deutet eine beeinträchtigte Blut-Hirn-Schranke auf eine verminderte Schutzfunktion hin. Patient:innen mit Subtyp 5 sind daher besonders anfällig für die gefürchteten Hirnödeme, die von den Antikörpern Lecanemab und Donanemab verursacht werden.

Potenzielle Auswirkungen auf Diagnose und Therapie

Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung der Alzheimer-Erkrankung haben. Das Verständnis der spezifischen Unterschiede zwischen den Subtypen könnte erklären, warum bestimmte Therapien nur bei einigen Patienten wirksam sind. Die Identifikation von Subtypen könnte somit zu personalisierten Behandlungsansätzen führen und die Effektivität klinischer Studien und neuer Therapien verbessern.

Nicht-invasive Hirnstimulation (NIBS) als Optionen zur Alzheimer-Behandlung

Auch nicht-invasive Hirnstimulationsmethoden (NIBS) wie die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) oder die mit niedrigenergetischen Stoßwellen arbeitende Transkranielle Pulsstimulation (TPS) haben sich als vielversprechend bei der Verbesserung von Kognition und neuropsychiatrischen Symptomen bei Alzheimer-Patient:innen erwiesen. Die Erkenntnisse aus deren Erforschung könnten für die spezifischen Alzheimer-Subtypen von Bedeutung sein, indem sie gezielte und personalisierte Therapieansätze für die Verbesserung kognitiver Funktionen bieten, die zudem ambulant durchgeführt werden können und organisatorisch weit weniger aufwändig sind als Infusions-Therapien. Aufgrund ihrer Sicherheit und Nebenwirkungsarmut werden sie von den Patient:innen zudem gut vertragen und engmaschige MRT-Kontrollen entfallen.

Quelle:

Nature Aging, 2024; doi: 10.1038/s43587-023-00550-7