Könnte Alzheimer in Verbindung mit Pilzinfektionen stehen?

In einer Studie beleuchten Forschende die Rolle von Candida als möglichen Alzheimer-Auslöser

Auf der Suche nach den Ursachen für Alzheimer und andere Demenz-Erkrankungen ist ein häufiger Bewohner des menschlichen Organismus ins Visier der Forschung geraten: Candida albicans. Er könnte gemäß einer neuen Studie, die in „Cell Reports“ publiziert wurde, ebenfalls zur Bildung von Amyloid-Plaques beitragen.

Die Anhäufung von falsch gefaltetem β-Amyloid ist zwar nicht der einzige Auslöser für Alzheimer-Demenz. Die sog. Amyloid-Hypothese wird weiterhin höchst kontrovers diskustiert, scheint jedoch eine kardinale Rolle im Entstehungsprozess zu spielen. Die Plaques initiieren eine Reihe weiterer Vorgänge, die schlussendlich zum Absterben von Nervenzellen führen und somit die Symptome der Demenz verursachen.

Frühere Forschung zeigte, dass sich Pilz-Fragmente in von Alzheimer betroffenen Gehirnen ansammeln

Bereits im Jahr 2016 hatten Forschungsergebnisse ergeben, dass sich in den Gehirnen von Alzheimer-Patient:innen Proteinfragmente verschiedener Pilzarten, darunter Candida albicans, ansammeln. Im Gegensatz dazu waren bei gesunden Proband:innen kaum Pilzproteine zu finden. Dies deutet möglicherweise darauf hin, dass wiederkehrende oder anhaltende Candida-Infektionen zur Entwicklung von Alzheimer-Demenz beitragen könnten. Jedoch war bisher unklar, auf welche Weise Candida die Alzheimer-Demenz beeinflussen könnte. Eine amerikanische Forschungsgruppe hat nun einen Mechanismus identifiziert, der eine Infektion des Gehirns durch Candida mit der Bildung von Amyloid-Plaques in Verbindung bringt.

Candida albicans und andere Pilz-Arten sind Teil der normalen Mikroflora des menschlichen Körpers und lebt üblicherweise in Harmonie mit anderen Mikroorganismen. Sie sind jedoch opportunistisch, was bedeutet, dass sie bei einer Schwächung des Immunsystems oder bei Veränderungen in der Mikroflora zu Infektionen führen können.

Candida albicans kann die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen

Ein amerikanisches Forschungsteam des Baylor College of Medicine, Houston, Texas, hat jetzt in einer weiteren Studie einen Mechanismus aufgedeckt, der zeigt, wie eine Infektion des Gehirns durch Candida albicans mit der Bildung von Amyloid-Plaques, wie sie bei Alzheimer auftreten, zusammenhängt. Die Forschenden entdeckten, dass Candida albicans Enzyme freisetzt, welche die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen können.

Die von Candida albicans produzierten Enzyme, bekannt als Saps (secreted aspartic proteinases), ermöglichen es dem Pilz zunächst, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Sie tun dies, indem sie Bestandteile der Schranke zerstören, wodurch sie durchlässiger wird. Nachdem C. albicans ins Gehirn eingedrungen ist, setzt sich die Wirkung der Saps-Enzyme fort. Unter anderem spalten sie das Amyloid Precursor Protein (APP) in β-Amyloid auf, was bei der Entwicklung von Alzheimer-Demenz eine Rolle spielt. Diese Peptide regen die Immunzellen des Gehirns, die Mikroglia an, die Pilzbelastung zu reduzieren, ohne dass diese die Infektion jedoch vollständig beseitigen können. Die Studie legt nahe, dass die bei Alzheimer gefundenen Amyloid-Beta-Aggregate möglicherweise sowohl vom menschlichen Gehirn als auch von Candida albicans erzeugt werden könnten.

„Diese Arbeit trägt möglicherweise zu einem wichtigen neuen Puzzleteil in Bezug auf die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit bei“, so der korrespondierende Autor Dr. David Corry vom Fulbright-Stiftungslehrstuhl für Pathologie sowie Professor für Pathologie, Immunologie und Medizin an der Baylor University in einer Pressemitteilung.

Neues Modell zur Entstehung von β-Amyloid-Plaques als Hypothese für die künftige Forschung

Ein Einschränkungsfaktor der Studie ist, dass die Ergebnisse auf Untersuchungen in Zellkulturen und Mäusen basieren, weshalb die Übertragbarkeit auf den Menschen noch ungewiss ist. Trotzdem schlagen die Forschenden ein neues Modell zur Entstehung von β-Amyloid-Plaques als Hypothese für zukünftige Forschungen vor.

Bisher ging man schließlich davon aus, dass diese Amyloid-Proteine ausschließlich im Körper selbst erzeugt werden, indem körpereigene Proteasen Amyloid-Vorläuferproteine abbauen und dadurch toxische β-Amyloid-Proteine entstehen. Die aktuellen Forschungsergebnisse legen jedoch die Vermutung nahe, dass die im Gehirn vorhandenen β-Amyloid-Aggregate, die für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer charakteristisch sind, sowohl vom Gehirn selbst als auch von C. albicans produziert werden könnten.

Quellen:

https://www.eurekalert.org/news-releases/1004887
https://neurosciencenews.com/alzheimers-fungus-24955