Long-Covid: Die Langzeitfolgen von COVID-19 und die Therapie mit TPS

Transkranielle Pulsstimulation (TPS): Eine Option für Long-Covid-Patienten mit Neuro-Symptomen

Long-Covid ist ein infolge der Corona-Pandemie entstandenes neues Krankheitsbild, für dessen Behandlung es noch keine Leitlinien-Medizin gibt. Schätzungen zufolge entwickeln weltweit etwa 10 bis 30 Prozent der Menschen, die eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben, Symptome von Long Covid. Long-Covid, auch als Post-Akute Sequelae SARS-CoV-2 Infection (PASC) bekannt, umfasst eine Vielzahl von Symptomen und Gesundheitsproblemen, die nach der akuten Phase einer COVID-19-Infektion fortbestehen oder neu auftreten und über Wochen bis Monate andauern können. Zu den häufigsten Beschwerden zählen Müdigkeit, Atemprobleme, kognitive Beeinträchtigungen („brain fog“), sowie Herz- und Kreislaufprobleme.

Die Heterogenität der Symptome und der individuell sehr unterschiedliche Verlauf der Erkrankung erschweren die Erstellung standardisierter Therapierichtlinien. Die Forschung läuft auf Hochtouren, um die Pathomechanismen besser zu verstehen und effektive Behandlungsstrategien zu entwickeln. In der Zwischenzeit sind interdisziplinäre Ansätze und symptomorientierte Therapien der Kern der Behandlungspraxis, wobei individuell angepasste Rehabilitationsprogramme und supportive Therapien zum Einsatz kommen.

Auch das nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren Transkranielle Pulsstimulation (TPS) wird seit rund zwei Jahren im Rahmen individueller Heilversuche und in der klinischen Forschung untersucht und die Beteiligten attestieren der Stoßwellen-Therapie TPS auch hier eine Erfolgsquote von rund 80 Prozent. Wir sprachen dazu mit Dr. med. Markus Böbel, der sich im Großraum Reutlingen in Baden-Württemberg einen Namen als Long-Covid-Experte gemacht hat.

Alzheimer Science (AS): „Herr Dr. Böbel, Sie sind vor allem in Baden-Württemberg als Long-Covid-Experte bekannt, waren auch schon mehrfach Interview-Partner des ZDF und anderer Medien. Wie kam es dazu?“

Dr. Markus Böbel (MB): „Das ist kurz erklärt. Ich führe als Facharzt für Allgemeinmedizin eine größere Hausarztpraxis. Als die Corona-Pandemie im März 2020 begann, schickte mir das Kreisgesundheitsamt Reutlingen den ersten an COVID-19 erkrankten Patienten mit der dringenden Bitte, mich seiner anzunehmen. Ab diesem Tag war Corona in meinem Praxis-Alltag präsent. Bis Ende 2023 waren wir eine Corona-Schwerpunktpraxis, machten tausende Impfungen und Abstriche und suchten nach sinnvollen Behandlungsansätzen. Aus der Vielzahl von Corona-Patienten wurden zahlreiche Long-Covid-Patienten.“

AS: „Nun standen Sie wie Ihre Kollegen auch vor einer völlig neuen Erkrankung. Wie sind Sie vorgegangen?“

MB: „Nun, wie viele Kollegen auch, habe ich mich intensiv in das Thema eingearbeitet, habe Erfahrungen gesammelt, alle Literaturen, die sukzessive herauskamen, studiert und natürlich auch selbst nach Möglichkeiten gesucht, wie ich meinen Patienten helfen könnte.“

„Die eine Long-Covid-Erkrankung gibt es nicht! Long-Covid ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Symptomatiken, die individuell betrachtet werden müssen.“
Dr. med. Markus Böbel

Dr. med. Markus Böbel - Interview

AS: „Wie definieren Sie Long-Covid?“

MB: „Zunächst: Die eine Long-Covid-Erkrankung gibt es nicht! Long-Covid ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Symptomatiken, die individuell betrachtet werden müssen. Laut WHO gibt es über 200 Symptome, die auf Long-Covid hindeuten können. Der eine hat Brain-Fog, der nächste kognitive Einschränkungen, Atemprobleme oder eine post-exertionelle Malaise, also eine Verschlechterung der Symptome nach geringfügiger körperlicher und/oder geistiger Anstrengung. Es gibt auch Kombinationen dieser Symptome. Dabei ist es egal, ob der Patient vorher auf der Intensivstation lag oder nur einen leichten Covid-19-Verlauf hatte. Man kann das nicht einfach in einen Topf werfen. Auch bezüglich der Ursachen gibt es zahlreiche Hypothesen, die aber derzeit nur als Puzzlestücke angesehen werden müssen. Eine abschließende ursächliche Definition gibt es daher noch nicht.“

AS: „Spielt es denn eine Rolle, mit welcher Covid-Variante sich ein Patient angesteckt hatte?“

MB: „Derzeit sieht es so aus, dass die Omikron-Variante, die einen meist ein leichter Verlauf kennzeichnete, wohl vermehrt zu Long-Covid-Erscheinungen führte. Aber all das ist schwierig zu erfassen, weil wir noch keine Biomarker haben, die im Alltagsbetrieb genutzt werden könnten. Da ist man noch auf der Suche.“

AS: „Im Zuge Ihrer eigenen Suche, Ihren Patienten zu helfen, stießen Sie dann auf die Transkranielle Pulsstimulation. Wie kam es dazu?“

MB: „Ich hatte von der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) gehört und gelesen. Da viele meiner Long-Covid-Patienten an neurologischen Symptomen wie Brain-Fog, Konzentrationsstörungen, Fatigue sowie Depressionen und Ängsten litten, was wir heute als Neuro-Covid bezeichnen, kam ich zu dem Schluss, dass die TPS meinen Patienten helfen könnte. Anfang 2022 habe ich mir deshalb einen NEUROLITH, das Gerät zur Durchführung der TPS, in die Praxis geholt. Gott sei Dank, wie ich heute sagen kann.“

AS: „Seither behandeln Sie Ihre Long-Covid-Patienten mit neurologischer Symptomatik mit der TPS? Aktuell betreuen Sie ja rund 120 chronische Long-Covid-Patienten.“

MB: „Ja, wenn diese Symptome führend sind, dann setze ich die TPS ein und sie funktioniert ganz hervorragend. Für mich ist diese Therapie nach über zwei Jahren im Einsatz schlicht das Mittel der Wahl Nummer 1.“

„In meiner Praxis haben wir mit der TPS eine Erfolgsquote von rund 80 Prozent.“
Dr. med. Markus Böbel

Dr. med. Markus Böbel - Interview

AS: „Welche Ergebnisse erzielen Sie mit der Transkraniellen Pulsstimulation bei Ihren Patienten und können Sie dies statistisch bewerten?“

MB: „In meiner Praxis haben wir, ebenso wie die mit der TPS arbeitenden Kollegen, eine Erfolgsquote von rund 80 Prozent. Unter Behandlungserfolg verstehe ich hierbei das Erreichen einer dauerhaften, deutlichen Symptomminderung bis hin zur Symptomfreiheit.“

AS: „Was ist mit den anderen 20 Prozent dieser Patienten?“

MB: „Einige Patienten wollten die Behandlung mit der TPS nicht, weil ihnen Hirnstimulationsverfahren noch zu unheimlich waren oder weil sie vor der TPS Angst hatten – leider gibt es ja noch verfälschte und ablehnende Meinungen im Internet, die noch dazu veraltet sind. Andere mussten die Behandlung aus logistischen Gründen abbrechen, da die TPS noch nicht weit verbreitet ist und die Wege zu meiner Praxis zu weit waren. Schließlich gibt es noch den finanziellen Aspekt: Leider wird diese Therapie noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt und nicht alle Patienten sind privat versichert.“

AS: „Wie viele Behandlungssitzungen mit der TPS sind nötig, um Ihre Patienten symptomfrei zu machen?“

MB: „Wir machen eine drei- bis sechsteilige Initialbehandlung, je nachdem, wie schnell der Patient sich verbessert, und dann warten wir erst mal ab. Nach vier bis sechs Wochen nehmen wir mit dem Patienten wieder Kontakt auf und entscheiden dann, ob eine Auffrischungsbehandlung angezeigt ist oder ob es dem Patienten weiterhin so gut geht, dass es gar keiner Behandlung mehr bedarf.“

AS: „Würden Sie denn sagen, dass die TPS die Patienten heilt?“

MB: „Heilung ist ein großes Wort, aber ja, ich würde tatsächlich so weit gehen, dies im Rahmen meiner Erfahrungen bei vielen Patienten so zu definieren.“

AS: „Können Sie das bitte näher erläutern?“

MB: „Wir hatten den Fall einer 48-jährigen Patientin mit schwerer Symptomatik. Als sie zu uns kam, konnte sie gerade noch acht Meter selbst laufen. Sie litt unter ständigen Kopfschmerzen, Brain-Fog und Gedächtnisstörungen. Schon während der ersten TPS-Behandlung ließen die Kopfschmerzen deutlich nach. Interessanterweise verschwanden die Schmerzen zuerst im rechten Temporallappen nach der ersten Behandlung und dann im linken Temporallappen nach der nächsten Behandlung. Anfänglich blieben die Schmerzen für drei Tage verschwunden, später dann dauerhaft. Aufgrund logistischer Gründe konnten wir die Patientin nur einmal pro Woche therapieren. Schließlich blieb sie jedoch vollkommen beschwerdefrei.“

„Es ist der Wirkmechanismus der TPS-Stoßwellen, Mechanotransduktion genannt, der verschiedene Prozesse auslöst. Und auch der Lymphfluss scheint angeregt zu werden.“
Dr. med. Markus Böbel

Dr. med. Markus Böbel - Interview

AS: „Was führt Ihrer Meinung nach dazu, dass die TPS diesen Long-Covid-Patienten so gut helfen kann?“

MB: „Das ist zunächst einmal der Wirkmechanismus der TPS-Stoßwellen, Mechanotransduktion genannt. Die Mechanotransduktion ist ja ein Prozess, bei dem Zellen mechanische Reize aus ihrer Umgebung in biochemische Signale umwandeln. Dies ermöglicht den Zellen, selbst auf physische Veränderungen zu reagieren und entsprechende Funktionen wie Wachstum, Differenzierung und vor allem Reparaturen zu regulieren. Hinzu kommt, dass wir in einigen Fällen auch Lymphknotenschwellungen erleben, vor allem im Bereich des Nackens. Hier stellen wir fest, dass der Abfluss der Lymphe durch die TPS angeregt wird, wie bereits in der Wissenschaft festgestellt wurde. Und möglicherweise können auch die entzündungshemmenden Wirkungen im Gehirn, die die Mechanotransduktion dort auslösen kann, sich auch positiv auf den Rest des Organismus ausweiten. Aber das ist im Moment natürlich nur eine Postulation.“

AS: „Behandeln Sie diese Patienten singulär mit der TPS oder substituieren Sie auch mit Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln?“

MB: „Tatsächlich ist es so, dass manche Patienten nach einer wahren Odyssee durch Kliniken und Praxen mit einer ganzen Liste von Medikamenten kommen, einmal bracht ein Patient sogar eine Liste mit 37 Präparaten mit. Aber wir machen bei Patienten, die Neuro-Covid haben, tatsächlich nur TPS. In anderen Praxen mag es anders sein, aber ich sehe, dass die TPS allein sozusagen den ganzen Job macht, ohne die Patienten weiter zu belasten.“

AS: „Was sollen ggf. von Long-Covid betroffene Patienten denn generell unternehmen, wie und wo sollen sie überhaupt eine ordentliche Diagnose bekommen?“

MB: „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 21.12.2023 eine Richtlinie zu Long-Covid veröffentlicht, die noch nicht in Kraft getreten ist, weil Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sie noch nicht unterschrieben hat. Dies wird wohl bald geschehen. Laut der Richtlinie sollen Patienten mit Long-Covid-Symptomen zunächst in eine Long-Covid-Ambulanz gehen, koordiniert von den Hausärzten. Der Hausarzt soll festlegen, welche Diagnostik am meisten Sinn macht. Dies muss reguliert werden, da ich auch Patienten habe, die über 20.000 Euro für Diagnostiken als IGeL-Leistungen ausgegeben haben, ohne dass etwas herausgekommen ist.“

AS: „Dr. Böbel, wie soll es für die TPS Ihrer Meinung nach in Bezug auf Long-Covid bzw. Neuro-Covid weitergehen?“

MB: „Ich hoffe sehr, und darin bin ich mir mit allen Kollegen einig, die mit der TPS arbeiten, dass diese Therapie schnell mehr Anerkennung und Verbreitung findet. Natürlich ist noch viel Studienleistung nötig und es wird ja auch intensiv geforscht. Aber es ist auch wichtig, den Patienten hier und heute zu helfen und wir sollten alles daran setzen, dass diese wirkungsvolle und vor allem auch so nebenwirkungsfreie Therapie den Betroffenen flächendeckend zur Verfügung steht.“

AS: „Dr. Böbel, wir danken für dieses Gespräch.“