Vermehrte Alzheimer-Erkrankungen nach symptomatischer Helicobacter-Infektion
Große Studie der Berliner Charité und der McGill University in Montreal quantifiziert Zusammenhang
Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung wird ein Anstieg von Demenzerkrankungen erwartet. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass sich die Häufigkeit von Demenz-Erkrankungen in den nächsten vier Jahrzehnten voraussichtlich verdreifachen wird. Angesichts der Tatsache, dass eine Heilung für Demenz noch nicht in Sicht ist, konzentrieren sich die Forschungsanstrengungen auch darauf, Risikofaktoren zu identifizieren, in der Hoffnung, diese effektiv bekämpfen zu können.
Einer dieser potenziellen Risikofaktoren ist der Magenkeim Helicobacter pylori (Hp), der bereits seit geraumer Zeit in der Wissenschaft untersucht wird. Laut einer Mitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin vom 13. Dezember 2023 ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit diesem Bakterium infiziert.
Obwohl eine Infektion mit Helicobacter pylori (Hp) oft symptomlos bleibt, kann sie schwerwiegende Folgen haben, einschließlich Gastritis und in schweren Fällen Magenkarzinomen. Darüber hinaus geben zahlreiche Laborstudien Hinweise auf eine Verbindung zwischen einer Hp-Infektion und Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Professor Antonios Douros, Pharmakoepidemiologe an der Charité, erklärt, dass das Bakterium auf verschiedenen Wegen das Gehirn erreichen und dort potenziell Entzündungen, Schädigungen sowie den Abbau von Nervenzellen verursachen kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass durch den Keim geschädigtes Magengewebe die Aufnahme von Vitamin B12 und Eisen beeinträchtigen kann. Dieser Nährstoffmangel könnte ebenfalls das Risiko für Demenz erhöhen.
Vier Millionen Menschen in langem Beobachtungszeitraum untersucht
Die Verbindung zwischen einer Helicobacter pylori-Infektion und der Alzheimer-Krankheit wurde bereits in zahlreichen Studien erforscht. Allerdings wiesen viele dieser Studien methodische Mängel auf, wie beispielsweise eine zu geringe Probandenzahl, was eine zuverlässige Bewertung der Stärke dieses Zusammenhangs erschwerte. Aufgrund dieser Einschränkungen blieb die genaue Natur der Beziehung zwischen einer Hp-Infektion und der Entwicklung von Alzheimer-Demenz bisher unklar.
Die Studie von Antonios Douros und Professor Paul Brassard von der McGill University in Montreal, Kanada, hat jetzt in Zusammenarbeit mit weiteren Kollegen wichtige methodische Schwächen früherer Untersuchungen überwunden. Ihre Forschungsarbeit, die am 13. Dezember 2023 in der Online-Ausgabe von „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht wurde, umfasst eine umfangreiche Stichprobe von über vier Millionen Personen und berücksichtigt zudem den zeitlichen Abstand zwischen einer Hp-Infektion und einer möglichen Erhöhung des Alzheimer-Risikos. Durch die Analyse elektronischer Patientenakten aus Großbritannien gelang es dem Team, den Zusammenhang zwischen einer Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori und der Entwicklung von Alzheimer-Demenz über den Lebensverlauf hinweg zu quantifizieren.
Alzheimer-Risiko steigt nach Infektion um 11 Prozent an, nach zehn Jahren sogar um 24 Prozent
Ist eine Infektion mit Helicobacter pylori (Hp) ein beeinflussbarer Risikofaktor für Alzheimer-Demenz? In dieser umfassenden Studie mit 4.262.092 Personen, die zu Studienbeginn nicht an Demenz erkrankt waren, entwickelten 40.455 von ihnen nach durchschnittlich elf Jahren eine Alzheimer-Erkrankung. Die Forschenden analysierten Daten, die von 1988 bis 2017 gesammelt wurden, um das relative Risiko einer Alzheimer-Erkrankung bei Personen über 50 Jahren mit symptomatischer Hp-Infektion im Vergleich zu Personen ohne symptomatische Hp-Infektion nach dem 50. Lebensjahr zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen, dass das Alzheimer-Risiko bei Menschen über 50 nach einer symptomatischen Hp-Infektion durchschnittlich um 11 Prozent ansteigt und etwa zehn Jahre nach der Infektion sogar um 24 Prozent erhöht sein kann. Dies bedeute aber nicht, dass jeder Mensch nach einer symptomatischen Hp-Infektion zwangsläufig an Alzheimer erkranken werde, so die Forschenden. Bei den Berechnungen handelt es sich um eine Erhöhung des relativen Risikos im Vergleich zu Personen, die keine symptomatische Hp-Infektion nach dem 50. Lebensjahr hatten.
„Für uns bekräftigt dieses Ergebnis die Annahme, dass eine Helicobacter-pylori-Infektion ein beeinflussbarer Risikofaktor für Alzheimer-Demenz sein könnte“, so Erstautor Antonios Douros. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine systematische und weitreichende Bekämpfung des Magenkeims Helicobacter pylori durch Eradikationsprogramme tatsächlich einen Einfluss auf die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit haben könnte, steht noch aus. Die Beantwortung dieser Frage erfordert groß angelegte randomisierte Studien, um die Effektivität solcher Maßnahmen zuverlässig bewerten zu können.
Quellen:
https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alz.13561