Zunahme der Hirnatrophie durch Medikamente gegen Alzheimer-Krankheit

Neue Alzheimer-Medikamente: Fortschritte und Herausforderungen bei der Bekämpfung der Hirnatrophie

Die Entwicklung von Medikamenten gegen Alzheimer-Krankheit bleibt ein schwieriges Unterfangen, trotz gelegentlicher Hoffnungsschimmer. Ein Beispiel ist der monoklonale Antikörper Lecanemab, der als potenzieller „Hoffnungsträger“ gilt.

Allerdings gibt es auch Schattenseiten: Anti-Amyloid-Wirkstoffe wie dieser Antikörper scheinen eine weitere Schrumpfung der bereits atrophierten Gehirne zu verursachen.

Dieses Phänomen ist nicht neu: Bereits 2016 berichteten Forscher von einer Zunahme des Ventrikelvolumens unter dem Antikörper Bapineuzumab. Im November letzten Jahres erwähnte auch der US-Neurologe und Demenzexperte Professor Madhav Thambisetty von der Johns Hopkins University dieses Phänomen in einem Artikel.

Eine kürzlich durchgeführte systematische Studienanalyse zeigt nun, dass pharmakologische Therapien gegen Beta-Amyloid und Amyloid-Plaques mit einer weiteren Schrumpfung des Gehirns bei Alzheimer-Patienten einhergehen. Die Ergebnisse dieser Studienauswertung wurden am 27. März 2023 im Fachmagazin „Neurology“ veröffentlicht.

Systematische Auswertung von 31 Studien

Die systematische Überprüfung und Metaanalyse beinhaltete erwachsene Teilnehmer aus randomisierten, kontrollierten Studien zu Anti-Aβ-Medikamenten (n = 8062 bis 10279). Als primärer Endpunkt der Studien wurden MRT-Gehirnvolumenmessungen verwendet. Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (ARIA) wurden berücksichtigt, sofern sie in den klinischen Studien dokumentiert waren. Von 145 untersuchten Studien wurden schließlich 31 in die abschließende Analyse einbezogen.

Anti-Aß-Medikamenten-Therapie geht mit zerebraler Volumen-Minderung einher

Die Analyse zeigte, dass die Behandlung mit einer Abnahme des zerebralen Volumens verbunden war. Sekretasehemmer führten zu einer beschleunigten Atrophie des Hippocampus und des gesamten Gehirns. Ebenso beschleunigten die ARIA-induzierenden Antikörper Lecanemab und Donanemab den Verlust des gesamten Gehirnvolumens, wobei eine bemerkenswerte Korrelation zwischen dem ventrikulären Volumen und der Häufigkeit von ARIA festgestellt wurde.

In zwei großen Lecanemab-Studien zeigten Teilnehmer, die die höchste Dosis des Medikaments erhielten, nach etwa 18 Monaten einen durchschnittlichen Hirnvolumenverlust von 28 % im Vergleich zu Placebo. Dies entsprach einem zusätzlichen Verlust von 5,2 Millilitern (ml) Hirnmasse. Die Autoren der aktuellen Studienanalyse berichteten außerdem, dass Anti-Amyloid-Antikörper – im Gegensatz zu Sekretasehemmern – zu einer Vergrößerung der Hirnventrikel führten.

„Wir wissen nicht genau, was diese Veränderungen bedeuten könnten“, sagt Dr. Jonathan Jackson, Neurowissenschaftler am Massachusetts General Hospital. Aber: „Diese Daten sind äußerst besorgniserregend, und es ist wahrscheinlich, dass diese Veränderungen schädlich sind.“ Ein Sprecher von Eisai wies hingegen erneut darauf hin, dass die Schrumpfung auch ein „gutes“ Zeichen sein könnte. So hätten die Teilnehmer an der Lecanemab-Zulassungsstudie zwar einen „größeren Verlust an kortikalem Volumen unter Lecanemab im Vergleich zu Placebo“ gezeigt; diese Volumen-Reduktion könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass der monoklonale Antikörper Beta-Amyloid aus dem Gehirn entferne und entzündliche Prozesse reduziere.

Aber das sei reine Spekulation, befürchteten einige Wissenschaftler, heißt es im Wissenschaftsmagazin SCIENCE. „Wir wissen nicht, was es bedeutet“, dass das Gehirn bei den behandelten Teilnehmern stärker schrumpft als bei Menschen, die ein Placebo erhalten, wird Professor Lon Schneider (California Alzheimer’s Disease Center, University of Southern California) zitiert. Doch „wenn wir einen Volumenverlust im MRT sehen, denken wir, dass das nicht gut ist“, so Schneider weiter.

Quelle:
https://n.neurology.org/content/early/2023/03/24/WNL.0000000000207156