Alzheimer-Früherkennung: Innovativer Bluttest zeigt Zuverlässigkeit von rund 90 Prozent

Alzheimer-bedingte Veränderungen erkennen, bevor Symptome sichtbar werden

Alzheimer-Demenz ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit, die heutzutage aber oft erst dann diagnostiziert wird, wenn bereits merkliche Schäden im Gehirn aufgetreten sind. Diese späte Diagnose schränkt die Möglichkeiten der Behandlung erheblich ein. Durch eine Zulassung des Antikörpers Lecanemab auch in Europa hatte man gehofft, dass sich Politik und Gesellschaft dringend mit den offenen Fragen auseinandersetzen und wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die notwendige Verbesserung der Infrastruktur in der Frühdiagnostik hätten fällen müssen.

Doch das Medikament wurde von der EMA aufgrund der zu massiven Nebenwirkungen und den damit verbundenen Risiken für die Patienten, die allenfalls in einem sehr frühen Stadium der Demenz hätten erkrankt sein dürfen, abgelehnt, so dass eine damit verbundene gewesene, womöglich schnellere Refinanzierung etwa von Nervenwasseruntersuchungen vermutlich weiter auf sich warten lässt.

So ist der fachliche Tenor derzeit, dass der Schwerpunkt weiterhin auf Prävention zu setzen sei, um der Zahl der Alzheimer- und Demenz-Erkrankungen Einhalt zu gebieten. Weitere vielversprechende, optionale Therapie-Methoden, etwa auf physikalischer Basis (nicht-invasive Hirnstimulation – NIBS) für Alzheimer-Patienten sind noch nicht etabliert und verbreitet genug, um einen Ausgleich zu schaffen. Doch dafür es gibt gute Neuigkeiten aus dem Bereich der Früherkennung in Form eines ebenso einfachen wie innovativen Bluttests.

Neuer Alzheimer-Bluttest erweist sich in der primären Gesundheitsversorgung als äußerst wirksam

Bislang lassen sich die frühen Veränderungen im Gehirn, die der Alzheimer-Krankheit vorausgehen, nur mit einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nachweisen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Messung von Amyloid- und Tau-Proteinen in der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF). Beide Verfahren sind jedoch invasiv, kostenintensiv und erfordern einen erheblichen Aufwand. Die Forschung hat sich deshalb intensiv auf die Entwicklung von Bluttests konzentriert, die eine frühzeitige und zuverlässige Diagnose ermöglichen könnte. Ein vielversprechender Ansatz, der international große Aufmerksamkeit erregt, kommt nun aus Schweden: Forscher der Universität Lund haben einen Bluttest entwickelt, der Veränderungen im Gehirn bereits zwei Jahrzehnte vor dem Auftreten von Demenzsymptomen aufdecken kann.

Neuer Bluttest: Phospho-Tau217 als Schlüsselindikator

Der Test basiert auf dem Nachweis des phosphorylierten Tau-Proteins bei Threonin 217 (P-tau217) im Blutplasma. Dieses Protein spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung von Neurofibrillenbündeln, die charakteristisch für die Alzheimer-Pathologie sind. In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Tau-Varianten als Biomarker untersucht, doch der schwedische Ansatz konzentriert sich speziell auf P-tau217, das in der aktuellen Studie eine außergewöhnlich hohe diagnostische Genauigkeit zeigte.

Überzeugende Ergebnisse in mehreren Kohorten

Die Studie umfasste drei unabhängige Kohorten mit insgesamt 1.402 Teilnehmern, darunter sowohl Patienten mit Alzheimer-Demenz als auch solche mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen und gesunde Kontrollpersonen. In der ersten Kohorte, die in Arizona durchgeführt wurde, konnte der Test bei Teilnehmern mit neuropathologisch bestätigter Alzheimer-Demenz eine diagnostische Genauigkeit (Area under the Curve, AUC) von 0.89 erreichen. Damit übertraf der Bluttest nicht nur andere im Plasma gemessene Biomarker wie P-tau181 und Neurofilament light chain (NfL), sondern kam auch sehr nahe an die Genauigkeit invasiverer Verfahren wie der Messung von P-tau im Liquor heran.

In der schwedischen BioFINDER-2-Kohorte, die eine größere und diversere Gruppe umfasste, erzielte der Test sogar eine AUC von 0.96 bei der Unterscheidung von Alzheimer-Demenz gegenüber anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Dies zeigt, dass P-tau217 im Plasma eine besonders hohe Sensitivität und Spezifität besitzt und somit ein äußerst verlässlicher Indikator für die Alzheimer-Krankheit ist.

Detektion präklinischer Alzheimer-Stadien bereits 20 Jahre vor Auftreten kognitiver Symptome

Besonders beeindruckend ist die Fähigkeit des neuen Tests, pathologische Veränderungen bereits sehr früh im Krankheitsverlauf zu erkennen. In der dritten Kohorte, die eine Gruppe von Trägern der autosomal-dominanten PSEN1 E280A-Mutation in Kolumbien untersuchte, konnten die Forscher erhöhte P-tau217-Werte im Plasma bereits etwa 20 Jahre vor dem geschätzten Auftreten erster kognitiver Symptome nachweisen. Dies deutet darauf hin, dass der Test nicht nur für die Diagnose im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit nützlich ist, sondern auch für die Erkennung präklinischer Stadien, in denen therapeutische Interventionen möglicherweise am effektivsten sind.

Vergleich mit etablierten Diagnosemethoden

Bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die Analyse von Liquor-Biomarkern, derzeit Goldstandard in der Alzheimer-Diagnostik, sind, wie bereits erwähnt, kostenintensiv, invasiv und logistisch anspruchsvoll. Der neue Bluttest bietet eine vielversprechende Alternative. In direkten Vergleichen zeigte der Test eine vergleichbare diagnostische Genauigkeit wie die etablierten Verfahren, insbesondere bei der Unterscheidung von Alzheimer gegenüber anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Dies könnte einen Paradigmenwechsel in der klinischen Praxis einleiten, da Bluttests viel breiter verfügbar und einfacher durchzuführen sind.

Großes Potenzial für die klinische Praxis: Patienten könnten früher und effektiver behandelt werden

Der Bluttest auf P-tau217 könnte vor allem in der Primärversorgung und in Gedächtnisambulanzen von großer Bedeutung sein, insbesondere in Regionen mit eingeschränktem Zugang zu spezialisierten Diagnostikverfahren. Dies gilt nicht nur für Industrieländer, sondern auch für Schwellenländer, wo der Zugang zu aufwendigen bildgebenden Verfahren begrenzt ist. Der einfache Zugang zu einem solchen Bluttest könnte die Früherkennung von Alzheimer global verbessern und dazu beitragen, dass Patienten früher und effektiver behandelt werden können.

Herausforderungen und nächste Schritte

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es noch Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, bevor der Test in die klinische Praxis überführt werden kann. Die Forscher arbeiten derzeit an der Optimierung der Testgenauigkeit und an der Entwicklung eines standardisierten Assays, der in klinischen Labors weltweit eingesetzt werden kann. Darüber hinaus sind weitere Studien erforderlich, um die Ergebnisse in ethnisch diversen und unselektierten Populationen zu validieren.

Ein wichtiger Schritt in Richtung einer neuen Ära der Alzheimer-Diagnostik

Der von der Universität Lund entwickelte Bluttest könnte ein entscheidender Schritt in Richtung einer frühzeitigen und breiten Diagnose von Alzheimer sein. Mit seiner hohen diagnostischen Genauigkeit und der Möglichkeit, pathologische Veränderungen lange vor dem Auftreten klinischer Symptome zu erkennen, hat dieser Test das Potenzial, die Behandlung von Alzheimer grundlegend zu verändern. Dementsprechend wird der Bluttest in den USA bereits kommerziell eingesetzt. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob dieser vielversprechende Ansatz die Versprechen halten kann und auch in anderen Ländern in der klinischen Praxis etabliert wird. Dies könnte nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern, sondern auch die Effektivität neuer Therapieansätze deutlich steigern.

Quelle:

https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2768841